Alles fing sehr fröhlich und harmlos an. Es war Sommer 1994 und wir waren gerade 3 Monate verheiratet, als ich schwanger wurde. Ein bisschen Angst hatte ich schon davor, denn meine Schwester war gerade in der12. SSW und ihr war immer so schrecklich übel. Aber wieso sollte mich das auch erwischen. Also war ich frohen Mutes.

Als meine Regel ausblieb, freute ich mich riesig, machte einen Schwangerschaftstest aus der Apotheke und der zeigte an: negativ, also nicht schwanger. Meine Tage kamen nicht also ging ich zu meinem Gynäkologen, um einen Schwangerschaftstest machen zu lassen. Die Arzthelferinnen machten einen Test und teilten mir Minuten später mit, dass ich schwanger sei. Aber so richtig sagen könne man das erst in 2-3 Wochen beim Ultraschall. Aber zu 98% sei es sicher. Ich ging aus der Praxis, freute mich, fing an zu weinen vor Freude und war durcheinander.

Jahre hatte ich mir in meinen Träumen ausgemalt, wie es wohl sei schwanger zu sein und auf einmal war es dann soweit. Das überforderte mich richtig. Meine Gefühle waren wie eine Berg, und Talbahn, aber das kennt wohl jede schwangere Frau.

Ich fuhr nach Hause, rief sofort meinen Mann an, erzählte ihm die frohe Botschaft und auch er freute sich sehr.

Wenige Tage danach fuhren wir in den Urlaub. Eine Woche im Bayrischen Wald. Kaum waren wir dort ging es mir nicht gut. Meine Brust schmerzte was aber harmlos und normal ist. Mir war ständig flau im Magen und dieses Essen dort, was sicherlich sehr gut war, konnte ich einfach nicht riechen. Ich fand das schrecklich. Diesen Geruch und das dazugehörende "Übelkeitsgefühl" kann ich mir jederzeit wieder in Erinnerung rufen. Dies verließ mich nicht mehr.

Wir kamen nach einer Woche wieder nach Hause und ich wollte "es" noch niemandem erzählen.

Dann ging schlagartig (dieses Wort ist deshalb fett gedruckt, weil es mich in beiden Schwangerschaften mehrmals begleitete) die Brecherei los. In den ersten Tagen erbrach ich nur morgens. 

Auch das ist normal. Ich habe tapfer im Bett eine kleine Mahlzeit gefrühstückt und habe alles versucht, damit es mir nicht schlecht ging.

Zu dieser Zeit war ich noch berufstätig und musste mich somit krankmelden, weil ich nicht mehr arbeiten gehen konnte. 2 Wochen habe ich mich mit Magen-Darm-Grippe krankgemeldet, dann habe ich meinen Kollegen die Wahrheit erzählt.

Nachdem es mir nicht mehr nur morgens, sondern den ganzen Tag und auch nachts übel war und ich mich ständig übergeben musste ging ich selbstverständlich zu meinem Gynäkologen. Von ihm bekam ich Vitamin B6 verschrieben, was mir gar nicht half.

Als nächste Hilfe verschrieb er mir VOMEX Dragees. Damit kam ich zunächst einigermaßen über die Runden. Allerdings habe ich nach und nach immer mehr an Gewicht abgenommen.

Ich konnte weder essen noch trinken. Essen ist nicht ganz so entscheidend, wie die Zufuhr an Flüssigkeit. Ich habe es mit allen Getränken, die es hier in der Gegend zu kaufen gibt, probiert. Mein Mann hat einfach alles besorgt, was er nur finden konnte. Alle Säfte, Wässerchen, Malzbier, Cola, verschiedene Limonaden, Tee etc.. Und nichts blieb drin. Der ekelhafteste Versuch war eigentlich Cola. Weil Cola beim Rausbrechen genauso schmeckt wie beim Trinken. Und das ist nicht gerade angenehm!

Mir ging es hundeelend. Ich kam nicht mehr auf die Beine. Egal ob ich nun gerade gebrochen hatte oder nicht, mir war einfach nur schlecht. Ich hatte den irrationalen Gedanken, dass ich dachte, ich breche mein Baby bald mit heraus.

Mein Blutdruck stieg nicht mehr über 80/60 und ich fühlte mich sehr elend.

Ich kniete entweder, wenn ich es geschafft habe über der Toilette, über meinem Eimer, der mir heute noch viel bedeutet (weil mit mir durch dick und dünn gegangen ist 😊 ) oder ich lag im Dämmerschlaf in meinem Bett. Wenn ich geschlafen habe, war mir wenigstens nicht schlecht. Erst als ich wieder wach wurde, war mir wieder speiübel. 

In der 9 SSW hatte ich bereits 4 kg abgenommen und konnte mich einfach nicht mehr auf den Beinen halten.

Bis dahin hoffte ich noch, es einigermaßen durchzustehen, aber irgendwann konnte ich nicht mehr. Mit Hilfe meines Mannes habe ich es etwa 200 Meter laufen geschafft, dann bin ich einfach zusammengeklappt. Ich hatte dann oft den Eindruck, ich habe nicht mal mehr Kraft zum Brechen. 

Und ich hatte mich so auf ein Baby gefreut. Ich wollte immer 5 Kinder! Jetzt habe ich 2 und möchte nie mehr im Leben schwanger werden.

Als ich wieder einmal (ca.11/12 SSW) einen ganzen Tag durchgebrochen hatte, beschloss mein Mann Thomas, dass er mich ins Krankenhaus bringt. Ich wollte das auf keinen Fall. Ich hatte solche Angst, dass ich die ganze Schwangerschaft dort verbringen müsse. Meine Schwester war zu diesem Zeitpunkt bereits 8 Wochen im KH gewesen und ich hatte Angst, es würde mir genauso ergehen.

Da ich kräftemäßig gar nicht in der Lage war mich zu weigern, brachte Thomas mich ins Krankenhaus.

Dort angekommen war es 19.30 Uhr. 

Es dauerte mehrere Stunden, bis ich aufgenommen wurde, denn es war Übergabezeit und meine Situation erschien sicherlich nicht besonders dramatisch.

Der Arzt, der mich aufnahm, ging sehr unsensibel mit mir um. Er zeigte mir sehr deutlich auf, dass man morgens zur Aufnahme käme und nicht abends.

Er unterstellte mir sofort, dass ich das Baby nicht haben wolle und fragte, ob mein Mann denn ein Baby wolle, oder ob wir beide dies ablehnen würden.

Dies sei der Hauptgrund, weshalb mir so übel sei.  Ich hatte deutlich das Gefühl in der Kategorie „Hypochonder“ gesehen zu werden.

Ich weinte.

Das Gute, was er mir dann tat, war mir eine Infusion mit 2 Ampullen VOMEX zu geben.

Als diese nach eine paar Stunden reingelaufen waren, ging es mir schon besser.

Ich blieb 2 Wochen im KH, bekam täglich 2-3 solcher Infusionen und konnte manchmal sogar etwas essen. Aber Trinken ging immer noch nicht. Bis zur 15 SSW nahm ich trotzdem noch mal 6 kg ab, so dass es insgesamt schon 10 kg waren. Ich empfand das sehr heftig, weil es ungeheuer schwächt, so schnell so viel abzunehmen. 

Ich wog dann noch 55 kg bei einer Körpergröße von 1,74.

Bei der täglichen Visite kam ich mir nie ernst genommen vor. Immer hatte ich das Gefühl die Angestellten dachten, ich erfinde die Übelkeit. Der Oberarzt war ein besonderes "Herzchen". Er erklärte mir immer wieder im Brustton der Überzeugung, dass diese Übelkeit, sofern ich sie hätte, spätestens nach der 12.SSW schlagartig verschwinden würde. Da ich schon in der 15 SSW angelangt war, erschien mir das unangemessen.

In der Zeit wurde immer wieder mit Ultraschall geschaut, wie es dem Baby geht. Da war alles in Ordnung. Dem Baby ging es so weit gut, nur mir leider nicht. Das Brechen hielt sich mit Infusion einigermaßen in Grenzen, aber es war eben nicht vorbei.

Ich wollte so schnell wie möglich wieder nach Hause, weil ich schon den Geruch von Krankenhausessen und alle Gerüche, die dort so in der Luft liegen nicht mehr ertragen konnte.

Also versuchte ich mich auf VOMEX-Dragees umstellen zu lassen.

Dies gelang mir im KH halbwegs; gut ging es mir nicht, aber ich wollte es versuchen um zu Hause zu sein.

Nach 14 Tagen wurde ich entlassen.

Zu Hause ging es mir nicht besser. Im Gegenteil. Hier war ich gezwungen aufstehen, wenn ich etwas trinken oder essen wollte (sofern ich das probiert habe). Thomas musste arbeiten und so war ich auf mich alleine gestellt, bis er nach Hause kam. In der Zeit, in der er zu Hause war, umsorgte er mich. Ich wusste, dass er die Übelkeit nicht 100% nachvollziehen konnte, aber er gab sich alle Mühe mir nicht das Gefühl einer Simulantin zu geben. Was ich auch nicht war.

Besuche habe ich fast komplett abgeblockt, weil ich es einfach zu anstrengend fand. Immer wenn ich reden musste, wurde mir wieder schlecht, also wollte ich lieber still und schweigend liegen und warten, bis alles endlich vorbei ist.

Leider halfen mir die VOMEX Dragees/Tabletten nicht besonders gut, so ging ich erneut zu meinem Gynäkologen.

Er erklärte sich, ohne lange nachzudenken bereit, mir jeden Morgen eine Infusion ambulant in seiner Praxis zu geben. Ich durfte kommen wann ich wollte und ich wurde jederzeit sehr nett empfangen und behandelt und lieb umsorgt.

Er bot mir sogar an, zu mir nach Hause zu kommen, falls ich es nicht in seine Praxis schaffen würde. Das fand ich aufgesprochen nett und fürsorglich.

Für mich stellte es ein Problem dar, zu ihm in die Praxis zu gelangen. Ich fuhr sonst in 10 Minuten mit dem Fahrrad dort hin, aber das war überhaupt nicht möglich. Mit dem Bus fahren war auch nicht möglich. Ich denke, ich hätte in den Bus brechen müssen. Alleine das Anfahren und wieder bremsen hätte meinen Mageninhalt schon umgedreht. Mit einem Taxi fahren habe ich mich nur manchmal getraut. Ich habe den Fahrern bei Einstieg erklärt, dass sie sofort anhalten müssen, wenn ich ihnen ein Zeichen gebe. Dann müsse ich brechen. Ich war zwar immer mit Brechtüte o.ä. ausgerüstet, aber so war es mir sicherer. Sofern sie es sich einrichten konnten, haben mich auch Verwandte mit dem Auto zur Praxis gebracht.

Alles in allem war es eine Anstrengung jeden Tag auf s Neue!

In dieser Zeit fühlte ich mich so schrecklich wertlos. Ich pendelte nur noch zwischen Gynäkologen, Toilette, Eimer und meinem Bett. Ich hatte das Gefühl aus dem Leben gerissen worden zu sein. Das Leben draußen vor meinem Fenster ging zwar weiter, aber meines nicht. Jeder Tag zog sich wie Kaugummi und mir war immer nur schlecht schlecht schlecht. Von morgens bis abends und von abends bis morgens.


Sehr zu schaffen machte mir das Unverständnis vieler mich umgebender Menschen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass man ein gebrochenes Bein sieht, permanente Übelkeit aber nicht. Man sieht sie nicht und kann sich als außenstehender nicht vorstellen, wie das ist, 24 Stunden von Übelkeit geplagt zu sein.

Dieses Unverständnis hat mich mitunter wütend und auch traurig gemacht.

Selbst für meine Eltern, die die schwere Zeit bei meiner Schwester Monate zuvor miterlebt hatten, war es kaum greifbar, wie es mir wirklich ging.

Mein Vater hoffte, dass ich durch frische Luft und Spaziergänge Besserung erfahren würde, aber 

1)war ich müde vom ständigen Brechen

2) war ich müde von VOMEX

3) konnte ich nur noch wenige Meter laufen

4) wird eine Hyperemesispatientin leider nicht wohler, wenn sie spazieren geht.

Das war ein gut gemeinter Ratschlag. Und ich muss jedem zugutehalten, dass man diese Art Übelkeit einfach nicht nachvollziehen kann, wenn man sie nicht erlebt hat. Selbst ich hatte vorher Schwierigkeiten damit!

Diese schier endlose Zeit zog sich wie Kaugummi. Ich habe noch bis zur 28. SSW fast täglich Infusionen oder Spritzen erhalten.

Die Schwangerschaft war für mich eine Tortour. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut schwanger zu sein, der Zustand, den ich mir immer so traumhaft vorgestellt hatte, war alles andere als schön. Mein ganzes Weltbild war zerstört, meine Lebensfreude dahin; das Leben fand woanders statt nur nicht bei mir. Ich habe immer wieder darum gebetet, dass ein Mittel erfunden wird, welches mich jetzt auf der Stelle einschlafen lässt und erst nach der Geburt wieder weckt. Leider hat das meines Wissens nur Dornröschen bisher geschafft so ewig zu schlafen.

Nach 6 langen Monaten wurde die Übelkeit tatsächlich besser, ich konnte manches essen und trinken.

Es war nicht perfekt, aber es war so gut, dass ich weniger gebrochen habe, sogar wieder bis zu meinem Gynäkologen Fahrrad fahren konnte und nicht mehr so häufig dieses „Dauerübelkeitsgefühl“ im Mund hatte.

Ich habe bis kurz vor Ende der Schwangerschaft VOMEX A Dragees genommen und bin so über die Runden gekommen.

Allerdings war ich darüber immer in Sorge. Ich wollte dem Kind mit meiner Medikamenteneinnahme nicht schaden.

Thomas hat mir in dieser Zeit versucht diese Angst zu nehmen. 


Die Geburt von Lea hat mich dann für die harte Zeit entlohnt. 

Sie kam innerhalb von 45 Minuten zur Welt und war kerngesund und putzmunter. Natürlich war sie das schönste Baby auf der Welt.

Lea hat diese, sicher auch für sie anstrengende Zeit in meinem Bauch, gut weggesteckt. Sie hat sich durchgekämpft und war willensstark genug, um gesund auf die Welt zu kommen.

Willensstark ist sie bis heute geblieben.


Nach dieser Schwangerschaft mit Lea war mir klar, schwanger werde ich nie wieder!

Aber es kam, wie es kommen sollte, der Kinderwunsch war größer als mein Verstand, meine Vergangenheit war verschwommen und irgendwie würden wir es schon packen.

Hätte ich vorher gewusst was auf mich zukommt, hätte ich das nie wieder gemacht.

Versteht mich nicht falsch, ich liebe beide Kinder, aber die Schwangerschaft, wie ich sie mit Carolin erlebt habe war bis dahin die härteste Prüfung meines Lebens.

So wurde ich schwanger.

Ich ging positiv dran und nahm mir vor, dass mir nicht schlecht wird.

Es war Anfang August 1998, und mir wurde jeden Morgen schlecht. Juchuh dachte ich, ich bin schwanger und mir ist nur morgens schlecht. Ich erlebe jetzt eine normale Schwangerschaft. Der 6.8.1998 war der letzte Tag, an dem ich noch etwas bei mir behalten habe. Ich musste zwar schon 2-4 Stunden am Tag schlafen, aber das war nicht weiter schlimm. 

Es kam, wie es kommen musste. Mir wurde am 7.8. schlagartig den ganzen Tag und die ganze Nacht schlecht. Da spürte ich tief drin in mir, dass es noch schlimmer kommen würde.  Es war mein Bauchgefühl, welches sich leider bestätigt hat.

Ich habe Tag und Nacht gebrochen und hatte nur noch wenige Pausen dazwischen. Ich hing nur noch über dem Eimer oder der Toilette. Treusorgend immer mit Begleitschutz.

Lea war mir in dieser Zeit und auch nach dem KH - Aufenthalt eine rührende Hilfe. Immer wenn mir wieder schlecht wurde und sie das merkte, sagte sie: "Ach Mama geh doch spucken, wenn Dir so schlecht ist. Ich pflege Dich doch". Brach ich dann, stellte sie sich hinter mich, streichelte mir den Rücken und sagte: "Du schaffst das schon, sei tapfer".

Da kamen mir oft auch noch die Tränen, weil ich so gerührt war, wie sensibel ein 3-jähriges Kind sein kann.

In der Zwischenzeit hatte ich von meinem Gynäkologen die Bestätigung schwanger zu sein.

Da es mir so schlecht ging mussten wir Lea erzählen, was mit mir los ist. Also haben wir ihr erzählt, dass wir im nächsten Jahr an Ostern ein Baby bekommen. Sie hat sich so sehr gefreut und es dann auch gleich jedem, der vorbeikam erzählt. 

Bis zum 11.8. hatte ich so viel gebrochen, geweint und gelitten, dass Thomas mich gleich am nächsten Tag ohne Diskussion ins KH brachte.

Ich wollte mich nur ein paar Tage aufpäppeln lassen und dann wieder nach Hause und mich um Lea kümmern.

Ich blieb dort, weil es mir sehr schlecht ging. Solange die Infusion (Kochsalzlösung mit 1-2 Ampullen VOMEX A) lief, ging es einigermaßen, aber ansonsten habe ich einfach nur gebrochen. Immer und immer wieder. Und ich war mir so sicher wie nie zuvor, dass ich dieses Kind nicht austragen wollte. Ich wollte es entweder ausbrechen oder abtreiben. Dessen war ich mir sicher.

Schließlich war ich bis Ende Oktober 1998 im Krankenhaus. Das waren lange quälende 3 Monate.

In dieser Zeit habe ich so vieles erlebt, so viel dazu gelernt, so viele verschiedene Menschen kennengelernt, mich gut und schlecht gefühlt, den Tod und das Leben ganz nah gespürt, die Verzweiflung in mir wahrgenommen, Freunde und Bekannte von ganz anderen Seiten kennengelernt, mir einen neuen Blickwinkel für das Leben geschaffen und ehrlich gesagt auch unendlich gelitten.

Es gab Tage, an denen es ein klein wenig besser ging. Da konnte ich ein paar Krümel essen oder gar ein paar Schlucke trinken. Es gab sogar Tage, an denen ich Thomas bat, mir etwas zum Essen mitzubringen. Aber im Gegenzug dazu gab es mehr Tage, an denen es mir einfach nur übel war.

Morgens gegen 6.30 Uhr war wecken, je nach Schwester mit oder ohne Neonlicht angesagt, aufstehen zum Bettenmachen. Wer schon mal mit Übelkeit schwanger war, weiß was es heißt von jetzt auf gleich aufstehen zu müssen zum Betten machen.

Es gab wenige, die zumindest ein wenig Mitleid hatten und man durfte liegenbleiben, wenn man versprach, das Bett später selbst zu machen. 

Als das Frühstück kam hatte ich mich häufig schon bis zu 5x übergeben und auch hier war wieder der Geruch, den ich nicht ertragen konnte.

Mir erschien die Zeit, bis ich meine Infusion bekam oft sehr lang. Mit ihr kam ich einigermaßen über den Vormittag.


Im Laufe eines jeden vormittags fand die Visite statt, bei der auch dieses Mal der Oberarzt erwähnte, dass die Übelkeit schlagartig nach der 12 SSW vorbei sei. (Auch als ich schon in der 17. SSW war)

Den Rest des Tages und der Nacht habe ich je nach Tagesform verbracht.

Ich war 4 Wochen lang nur von meinem Bett bis zur Toilette oder gar nicht auf den Beinen.

In dieser Zeit habe ich den Plan geschmiedet mich umzubringen. Verstärkt wurde das durch die Bemerkung einer Krankenschwester.

Ich hatte 10 kg abgenommen, fühlte mich als würde ich jeden Moment umfallen. 

Diese Krankenschwester kam zu mir, räumte mein Tablett ab, sah, dass ich wie immer fast nichts davon gegessen hatte und sagte zu mir: "Sie müssen das jetzt essen, sie stellen sich vielleicht an. Jeder von uns hat doch schon mal eine Magen-Darm-Grippe gehabt, dann isst man wieder eine Kleinigkeit und dann geht es einem auch wieder besser".

Jede, die Hyperemesis mitgemacht hat, weiß, was eine solche Bemerkung mit einem macht.  ich war so sauer, so enttäuscht, so wütend, so traurig.

Jedenfalls reifte so mein Entschluss mich umzubringen. Ich hoffte, dass dann endlich die Übelkeit und alles was damit zusammenhängt vorbei sei. Als ich es endlich wieder schaffte zu laufen (ich wurde in der Zwischenzeit künstlich ernährt, um wieder zu Kräften zu kommen) ging ich in den 7 Stock des KH und sah mir an, wo ich am besten runterspringen könnte, um sicher zu gehen, auch tot zu sein. Aber leider, heute sage ich zum Glück, waren die Fenster verschlossen und es ging keines auf. Warum wohl?

Aus weniger Höhe zu springen, traute ich mich nicht aus Angst zu überleben. Also wollte ich mich von einem Taxi an einen Turm im Wald fahren lassen, von dem aus man sich ganz sicher zu Tode stürzen kann.

Das ich heute noch unversehrt lebe habe ich Lea zu verdanken. Ich kam ins Grübeln, was wohl aus ihr werden würde, wenn ihr der Papa irgendwann sagen müsste, dass die Mama tot sei.

Thomas alleine ohne Lea hätte mich glaube ich nicht zurückgehalten, denn zu dieser Zeit war ich immer mal wieder wütend auf ihn, weil er mich von einer Abtreibung abgehalten hat.

Er sagte zu mir: "Wenn Du jetzt abtreibst, kriegen wir nie wieder ein Kind zusammen." Das klingt logisch und ist auch gut nachvollziehbar, da man bei einer erneuten Schwangerschaft nicht wieder mit dem Gedanken der Abtreibung kämpfen möchte. Mich hatte es auf der Gefühlsebene getroffen und ich fühlte mich nicht ernst genommen, nicht unterstützt. Was nicht so war. 

Ein weiterer Punkt, der nicht ganz unwesentlich für die Zeit war, stellten die Besucher dar. Ich hatte ausdrücklich darum gebeten keinen Besuch haben zu wollen, weil es mir danach immer deutlich schlechter ging. Es strengte mich unheimlich an. Durch das Reden musste ich wieder brechen. Ein Kreislauf.

Und so bekam ich auch wirklich wenig Besuch. Thomas kam fast täglich (wie er es mit Arbeit, Lea usw. schaffte. Unser Freundeskreis schickte hin und wieder einen Besucher, der mir dann etwas mitbrachte und grüßte und ein paar Pfarrer und Seelsorger kamen vorbei.

Obwohl ich das selbst so wollte, kam ich mir unendlich verlassen allein und verstoßen vor. Ich habe so oft geweint, weil ich ahnte und spürte, dass mir wenig Verständnis entgegengebracht wurde. Viele konnten meinen Zustand nicht nachvollziehen. Nur wenige haben den Griff zum Papier und Stift gefunden, um mir ein paar liebe Zeilen zu schreiben. Ich war einfach traurig und meine Seele hing durch.

Eine meiner größten Sorgen galt Lea. Sie kam im September in den Kindergarten und ich war nicht da. Sie wurde seit ich ins KH gekommen war von verschiedenen Leuten betreut. Meine Schwiegereltern, meine Schwester und verschiedene Freunde und Nachbarn von uns. Das war alles wahnsinnig lieb, aber trotzdem war es enorm viel für Lea. Sie hatte immer wechselnde Bezugspersonen, andere Umgebung, das Einleben im Kindergarten etc. Irgendwann wollte sie nicht mehr mit ins KH kommen, um mich zu besuchen. Ich konnte es verstehen, aber traurig machte es mich schon. Und sie verlor im Laufe der Zeit ihr Leuchten in den Augen, was ich immer so an ihr geliebt habe. Es war einfach verschwunden. Ihre Lebensfreude war eingebuddelt. Das tat mir sehr weh und tut mir auch jetzt beim Schreiben noch weh. Jetzt ist sie wieder der alte Schelm, aber es war ein harter Weg bis dahin.

Nach meiner Entlassung aus dem KH vegetierte ich bis zum Ende meiner Schwangerschaft zu Hause vor mich hin. Ich ließ mir täglich von meinem Gynäkologen morgens eine Infusion geben, mittags versuchte ich eine oder mehrere Tabletten zu nehmen und am späten Nachmittag ließ ich mir VOMEX nochmals als Spritze verabreichen.

Die Zeit war schrecklich. Brechen und viel würgen musste ich bis zum Schluss. Das ließ erst nach, als Carolin geboren war. Mein erster Satz war:" Mir ist nicht mehr schlecht".

Das war eine Erlösung!

Alles in allem bin ich sehr sehr froh, diese Zeit durchgestanden zu haben. Sicher war mir Ashli (siehe Links) eine große Hilfe in dieser Zeit. Thomas hat sie während meines KH -Aufenthaltes über das Internet in USA gefunden und Kontakt mit ihr aufgebaut. Sie hat 3 solcher Schwangerschaften hinter sich und hat mich immer wieder ermuntert durchzuhalten.

Ich bin glücklich, zwei gesunde Kinder zu haben. Sicher werden sie nie genau wissen bzw. nachvollziehen können durch welche Hölle ich für sie gegangen bin. Aber das erwarte ich auch nicht.

Jeder Frau, die in dieser scheußlichen Situation steckt, rate ich, wenn sie kann, durchzuhalten. Es ist eine riesige Freude, wenn man dann endlich den kleinen Zwerg im Arm halten kann und das Leben wieder weitergeht.

Aber ich will ganz ehrlich sein. Wenn eine Frau in einer solchen Situation abtreiben möchte, kann ich das auch von ganzem Herzen verstehen und wäre sicher die Letzte, die das kritisiert. Man muss in sich hineinhorchen und sich fragen, ob man das durchstehen kann oder nicht.


Ich hoffe trotz mancher negativen Aussagen von mir, der ein oder anderen Frau hiermit helfen zu können. Wenigstens zu wissen, dass man mit dieser Übelkeit nicht alleine ist!